Verlegung von 28 Stolpersteinen in Burgwedel - Evangelisch-lutherische St.-Petri-Kirchengemeinde Burgwedel

Verlegung von 28 Stolpersteinen in Burgwedel

Im Mitteldorf 9, Großburgwedel|Samstag, 23.11.2019

Geraubte Leben

Foto: Hans Braxmeier auf Pixabay

(Text von Jürgen Zimmer)

In Großburgwedel existierte von September 1944 bis Kriegsende eine Einrichtung, die im NS-Sprachgebrauch verharmlosend „Ausländerkinder-Pflegestätte“, im Dorf einfach „Polenheim“ genannt wurde. Diese Einrichtung befand sich in einem damals bereits baufälligen und nicht mehr bewohnten Bauernhaus. Es stand am Küstergang, ungefähr an der Stelle, an der heute das Gemeindehaus der St. Petri Kirchgemeinde steht.

Von 24 verstorbenen Säuglingen und Kleinkindern sowjetischer und polnischer Zwangsarbeiterinnen liegen nachlässig ausgefüllte Sterbeurkunden vor, vier namenlose Kinder sind im Buch des Totengräbers verzeichnet. Ob sie gleichfalls in dem „Heim“ verstarben, ist nicht belegt, darf aber vermutet werden. Auf den Sterbeurkunden sind die Todesursachen nicht angegeben. Es kann dennoch davon ausgegangen werden, dass ihr Tod die Folge von Vernachlässigung und falscher bzw. mangelhafter Ernährung war. Die Kinder wurden auf dem Friedhof der Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Petri begraben, jedoch nicht von Superintendent Johannes Spannuth (1874—1950) wie sonst üblich ins „Hauptbuch–Verzeichnis der Begrabenen“ eingetragen. Die genaue Lage der Gräber kann heute aufgrund baulicher Veränderungen des Friedhofes nicht mehr ermittelt werden. In den 1946 nachträglich erstellten Abschriften der Sterbeurkunden ist für alle begrabenen Kinder „Gemeindefriedhof Großburgwedel, Quartier C, Reihe 3 u. 4, Nordende“ als Grablage angegeben. Da Kriegstote, und hierzu zählen auch durch Vernachlässigung gestorbene Kinder von Zwangsarbeiterinnen, nach internationalem Recht ein dauerhaftes Ruherecht haben, hätten die Gräber der Kinder erhalten und ihre Namen in einem Totenbuch aufgenommen werden müssen.

Am 23. November werden auf Beschluss des Ortsrates in Großburgwedel, Im Mitteldorf 9, 28 Stolpersteine für 24 namentlich bekannte und vier unbekannte Kinder verlegt. Die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demning sind der Versuch, die Opfer eines Unrechtsstaates wenigstens in die Erinnerung der Gemeinde zurück zu holen.

In dem Buch ‚Geraubte Leben - Spurensuche: Burgwedel während der NS-Zeit‘ von Irmtraud Heike und Jürgen Zimmer sind die Biografien der Kinder und ihrer Mütter nachzulesen, zahlreiche Bebilderungen dokumentieren die Ereignisse. Weitere Inhalte des Buches sind der in den Selbstmord getriebene jüdische Arzt Dr. Albert David, im KZ Auschwitz umgebrachte Sinti und Opfer von Krankenmorden. Die Spurensuche in Burgwedel führt in die Abgründe der NS-Geschichte und regt zur aktiven Erinnerung an.

Erschienen im VSA-Verlag Hamburg ist das Buch zum Preis von Euro 19.80, ISBN 978-3-96488-038-3, in allen Buchhandlungen erhältlich, sowie online beim Verlag: https://www.vsa-verlag.de/nc/buecher/detail/artikel/geraubte-leben/

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